Bis ein fertig modellierter Soll-Prozess „scharf“ geschaltet werden kann, muss er erfahrungsgemäß mehrere Optimierungsschleifen (KVP) durchlaufen. In der klassischen Welt des Prozess-Managements müssen immer wieder grundlegende Parameter geprüft werden, die die einmal eingeschlagene Prozessausrichtung rechtfertigen sollen. So können sich aufgrund Markt- und politischen Änderungseinflüssen immer wieder strategische Änderungen bei den Unternehmenszielen ergeben.
Eine prozessuale Reaktion ist nicht immer zeitnah möglich. Einmal gelebte Soll-Prozesse müssen nun wieder auf den Prüfstand gestellt werden. In diesem Rahmen müssen nicht nur Leistungslücken, sondern auch die Ursachenbekämpfung angegangen werden. In der Praxis haben sich hierzu Instrumente wie das Ishikawa-Modell etabliert, die mittels methodischer Frageführungen das Quellproblem identifizieren sollen. Neben der Schließung der Leistungslücken muss der Prozess optimiert und anschließend fachlich (betriebswirtschaftlich und rechtlich/Compliance) durch Experten (Process Owner, Compliance/Rechtsabteilung, sonstige gemäß RACI-Diagramm) abgenommen werden.
Naturgemäß erfordert eine derartige Iterationsschleife wertvolle Zeiteinheiten und die Bindung personeller Ressourcen, was eine Hürde darstellt bei u. a. dem Vorhandensein einer Matrix-Organisation. Ungewiss ist zudem, welchen Mehrwert der Soll-Prozess überhaupt erzielen kann. Hierzu ist die Implementierung eines Kennzahlensystems nahezu selbstredend, um mit griffigen Zahlen eine wirksame Prozesssteuerung zu erzielen.
Neben dem monetären Zeit- und Personalaufwand kommt noch ungünstigerweise hinzu, dass nur ein einziger Soll-Prozess durch den KVP erzeugt wurde. Dieser muss es nun schaffen, trotz Fehlens von Echtzeitdaten, einen Mehrwert für das Unternehmen zu erzielen. Ein Rückgriff auf schlüssige Prozesskennzahlen (KPI) hat nunmehr eine Rückwärtsbetrachtung (ex-ante) zur Folge. Wünschenswert wäre aber eine Zukunftsbetrachtung (ex post), welchen Benefit ein neuer Soll-Prozess aus historischen KPI`s leisten kann.
Weitere Schwachpunkte können in der Optimierungsschleife gesehen werden, die als Basis den erzeugten Soll-Prozess als Grundlage nutzen müssen, der jedoch möglicherweise in bescheidener Qualität zur Verfügung steht oder sich gar im Zeitablauf als ungeeignet darstellt. Soll-Prozess-Alternativen existieren in der Regel daher nicht, sodass dem Potenzial einer Prozessoptimierung Grenzen gesetzt sind.
Autor: Kwan I. Jao, LL.M.
Medizinjurist / Medizin-BWL
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